Vom Lesemuffel zum Bücherwurm

Lesen ist wichtig: Denn ohne Lesen kein Lernen. Doch wie können Eltern bei ihren Sprösslingen die Freude an Büchern und die Lust am Lesen wecken? Wir verraten gute Tipps.

Gemeinsam ein Buch zu lesen ist für Kinder ein Erlebnis.

«Lesen ist langweilig - Fernsehen und Gamen machen viel mehr Spass!» Gehören Sie auch zu den Eltern, die diesen Satz von ihrem Nachwuchs zu hören kriegen? Damit stehen Sie nicht alleine da: Zahlreiche Kinder sind kaum für gedruckte Unterhaltung zu begeistern. Kein Wunder, beim TV-Konsum oder bei PC- und Konsolenspielen reichen ein paar Tastendrucke, und schon taucht man in die magische Welt der virtuellen Fantasiehelden ein. Da ist es einiges anstrengender, ein Buch zu «erlesen», auch wenn es noch so spannend ist.

Aller Anfang ist schwer

Wie kaum eine andere Fähigkeit beeinflusst das Lesen den Erfolg in der Schule. Ohne Lesen kein Lernen: die gesamte Schullaufbahn - und später die berufliche Qualifikation - wird entscheidend beeinflusst von der Fähigkeit, den Sinn eines Textes zu erfassen, wiederzugeben und damit zu arbeiten. Es macht also Sinn, den Spass am Lesen gezielt zu fördern, denn wer gerne liest, liest mehr und damit automatisch besser. Wer regelmässig liest, trainiert Wortschatz, Ausdrucksweise, Fantasie und Kreativität. Helfen Sie also Ihrem Kind frühzeitig, ein begeisterter Leser zu werden!

So stärken Sie die Lesefähigkeit Ihres Kindes

«Leseerziehung fängt früh an», sagt auch Maria Riss, Dozentin im Zentrum Lesen an der Pädagogischen Hochschule Aarau. «Im Idealfall lange, bevor Kinder Buchstaben und Zeichen selber entziffern können.» Schon Einjährige lieben es, in Bilderbüchern zu blättern. Mit zunehmendem Alter entdecken Kinder die Schrift und möchten selbst entziffern, was dort steht. Diese Motivation und dieses Interesse sollten Eltern gezielt nutzen. «Machen Sie Ihr Kind jeden Tag neugierig aufs Lesen!», rät Maria Riss. «Lassen Sie es selbst wählen, was es lesen oder vorgelesen bekommen möchte. Je früher Kinder die Erfahrung machen, wie toll Lesen und Vorlesen sein können, desto besser. Denn je mehr schöne Erinnerungen Ihr Kind damit verbindet, umso lieber wird es selbst nach einem Buch greifen.» Wem von klein auf vorgelesen wird und wer mit interessanten, spannenden Büchern aufwächst, der entwickelt in der Regel auch den Wunsch, selber lesen zu können. «Untersuchungen zeigen, dass viele Kinder nach der 2. Klasse einen sogenannten Leseknick haben», sagt Maria Riss. «Dagegen kann Vorlesen ebenfalls helfen. Manchmal reichen ein paar Seiten, bis die Handlung spannend wird, dann lesen die meisten Kinder selber weiter.»

Kinder brauchen Begleitung

Es ist eine bewährte Weisheit: Lesen lernt man nur durch Lesen. Je regelmässiger Sie also zusammen mit Ihrem Kind lesen, desto schneller und flüssiger wird Ihr Kind es beherrschen. Aber denken Sie daran: Lesen soll Spass machen! Deshalb: Schaffen Sie eine gemütliche Leseecke, kuscheln Sie sich mit Ihrem Kind hinein und tauchen Sie gemeinsam in die Welt der Geschichten ein. So wird das gemeinsame Schmökern, Lesen oder Vorlesen zum Erlebnis.

Noch ein Tipp: Ihr Kind muss nicht nur Bücher lesen - vielleicht findet es ja Kinder- und Jugendzeitschriften spannender? Um ansprechenden Lesestoff für Ihr Kind zu finden, sollten Sie seine Interessen herausfinden und akzeptieren. Schaut es gerne Fernsehen? Finden Sie heraus, ob es zu seiner Lieblingsserie eine Buchreihe gibt. Oder haben Sie einen «Gamer» zu Hause? Auch zu vielen Computer- oder Konsolenspielen gibt es Bücher oder Comics. Liebt Ihr Sohn Fussball? Kaufen Sie ihm eine Fussballzeitschrift. Und wenn Ihr Kind vielseitig interessiert ist, schenken Sie ihm zum Geburtstag ein Abonnement für eine schlaue Schülerzeitschrift. Gehen Sie zusammen regelmässig in die Bibliothek, in Bücher- oder Comicläden. Durchstöbern Sie mit ihm Bücherregale nach verborgenen Schätzen. Denn je mehr spannende und interessante Kontakte es mit Büchern und Druckerzeugnissen hat, desto stärker wächst sein Interesse daran.


Lesen ist nicht (kinder-)leicht!

Manchen Kindern fällt das Lesen besonders schwer. Wie verführt man Kinder zum Lesen? Wir haben den Schweizer Bestseller-Kinderbuchautor Carlo Meier befragt.

Ist es wichtig, was Kinder lesen? Oder dass sie überhaupt lesen?

Beides. Lesen fördert nebst der Fantasie auch das Schreiben und Verstehen, was sich fächerübergreifend positiv auswirkt. Auch was sie lesen, ist wichtig: Sie möchten sicher auch nicht, dass Ihr Kind etwa gewaltverherrlichende Sachen liest. Bei Kindern finde ich es besonders wichtig, dass die Identifikationsfiguren, also die «Helden» in dem Buch, insgesamt ein aufbauendes Handeln und Denken fördern.


Muss man für Buben anders schreiben als für Mädchen?

Es klingt zwar wie ein Klischee, ist aber durch viele Erfahrungswerte gestützt. Kurz gesagt: Die meisten Jungs wollen Action, Mädchen Beziehungen.


Stimmt es, dass Buben weniger lesen als Mädchen?

Ja, zumindest ab etwa zwölf Jahren eindeutig.


Warum ist das so?

Vermutlich, weil Jungs - salopp formuliert - lieber Fussball spielen als sich alleine mit einem Buch zu beschäftigen, und weil sie sich mehr für Technik und Sachthemen interessieren, die sie sich nicht unbedingt in Form eines Buches zu Gemüte führen.


Wie kann man Buben dazu bringen, mehr zu lesen?

In dem Alter, in dem sie noch gerne Geschichten lesen: Möglichst spannend, möglichst keine «langweiligen» Stellen (also ja nicht zu viel «Beziehungskram»), genügend Action und ein Thema, das sie möglichst direkt anspricht. Danach, also ab etwa 13, 14 Jahren: Eine Computerzeitschrift herausgeben ... Die meisten Männer verabschieden sich in diesem Alter lebenslänglich weitgehend vom Bücherlesen – es sei denn, wir sprechen von Fachbüchern.


Wie muss man schreiben, um Kinder heute zu begeistern?

Einiges gilt – wie oben für die Jungs beschrieben – auch für die Mädchen: Spannung, Witz, ein gutes Thema, das sie anspricht; das Lesen muss Spass machen. Dazu speziell für die Leserinnen: Interessante Beziehungen zwischen den Figuren mit möglichst einer «besten Freundin» dabei, und natürlich das Allerwichtigste: Die Hauptdarstellerin sollte verliebt sein, oder jemand in sie, oder es sollte sich mindestens etwas anbahnen, und wenn das bei der Hauptperson nicht geht, dann bitte wenigstens bei der zweitwichtigsten Darstellerin.


Wie sind Sie selbst als Kind zum Leser geworden?

Mit spannenden Büchern, die möglichst wenige langweilige Stellen hatten. Ich bin erst relativ spät ein Bücherwurm geworden und voll auf englische Krimis im Stil von Agatha Christie abgefahren. Davor mochte ich auch Astrid Lindgren sehr gern – und das ist auch heute noch so.


Woher wissen Sie, was Kinder interessiert?

Die Kaminski-Kids-Serie schreibe ich mit meinen eigenen drei Kindern zusammen, was bestimmt der Grund dafür ist, dass wir so oft hören, die Kinder im Buch würden sprechen, denken und handeln wie wirkliche Kinder. Zudem halte ich rund 100 Lesungen pro Jahr, viele davon in Schulen von der 3. bis zur 6. Klasse in der ganzen Schweiz und in Deutschland – und da habe ich natürlich die Kinder vor mir und höre sehr genau, was sie packt und was nicht.


Haben Sie einen Tipp für Eltern von lesemüden Kindern?

Nicht einen, sondern zehn. Und bald sind es elf – im September kommt Kaminski-Kids-Band 11 heraus ... Nein, im Ernst: Wir erhalten zahllose Mails von Eltern, die uns schreiben: «Endlich liest unser Kind», und von Kindern selbst, die uns schreiben, sie seien eigentlich keine Leseratten, doch mit den Kaminski-Kids habe sich das Blatt gewendet. Sehen Sie selbst im Gästebuch auf kaminski-kids.com kurz nach.


Zur Person

Carlo Meier ist 1961 in Zürich geboren, lebt seit 1986 als freier Autor in Zug (Schweiz). Er ist verheiratet und hat drei Kinder: Sidi (geboren 1985), Anuschka (1986) und Saskia (1989).Der Autor erhielt für seine Jugendkrimis, Romane und Drehbücher zahlreiche Auszeichnungen (European Script Fund, London, Pro Helvetia u.a.). Fernseh-Ausstrahlungen in ZDF, SF DRS sowie weiteren Sendern. Die Kinder- und Jugendbücher in seiner Reihe «Die Kaminski-Kids» werden von der «Pro Juventute» empfohlen und in Schulen eingesetzt. Der Autor wurde zu Lesungen in bisher über 1 000 Schulklassen eingeladen. Anhand seiner Jugendbücher laufen Projekte an Schulen zu den Themen «Jugendgewalt» und «Sucht».

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