Der mentalen Gesundheit wird heute – zum Glück – mehr Wichtigkeit beigemessen als früher, als zum Beispiel ich noch ein Kind war. Da galt es, sich zusammenzureissen. Man sprach nicht darüber, wahrte den Schein gegen aussen. Dabei ist die mentale Gesundheit, also unser emotionales, psychologisches und soziales Wohlbefinden, eine wichtige Voraussetzung für eine gute Lebensqualität. Und wenn wir im Leben nach irgendetwas streben, dann geht doch alles letztlich in diese Richtung, auch wenn dies für jeden etwas anderes bedeuten mag.
Laut einer UNICEF-Studie von 2021 sind ein Drittel der 14- bis 19-jährigen in der Schweiz von psychischen Problemen betroffen. Die meistgenannten Gründe sind eine schwierige Familienstruktur, ein tiefer sozioökonomischer Status, schlechte Kindheitserfahrungen und chronische Leiden. Allerdings wachsen unsere Kinder auch in einem Zeitalter auf, welches stark geprägt ist von Internet, Smartphones und dem Einfluss sozialer Netzwerke. Das hatten wir alles nicht. Die Auseinandersetzung mit den schulischen Leistungsanforderungen und beruflichen Perspektivenentwicklungen sowie die Ablösung vom Elternhaus und auch die Entwicklung des Beziehungsverhaltens gegenüber Gleichaltrigen sind ja bereits schon einige schwere Brocken in der adoleszenten Welt. Die technologisch vielfältigen Möglichkeiten, die durchaus auch ein Segen sind, kommen aber eben eher erschwerend dazu.
Gerade in einem Alter hormoneller Veränderungsprozesse sind digital natives rundherum gefordert. Depressive Episoden, Einsamkeit, Angstattacken und Burnout nehmen angeblich zu. Und ja, der ständige passive Konsum digitaler Inhalte, die Inszenierung und das Vorleben etlicher Schokoladenseitenleben ist da wenig hilfreich, auch hier gibt es Studien, die gar physiologische Veränderungen durch den erhöhten Medienkonsum bestätigen.
Fakt ist: Unsere Welt ist so wie sie ist. Die digitale Welt, der Druck, die Anforderungen: Wir müssen damit klarkommen. Unsere Kinder auch. Ausser wir ziehen mit ihnen in den Wald und machen hier nicht mit. Eine Strategie zu finden, unsere Kinder durch die Herausforderungen der heutigen Zeit zu lotsen, macht aber wohl mehr Sinn.
Gelingt Kindern und Jugendlichen die Bewältigung der vielen Entwicklungsaufgaben um sie herum (schulisch, sozial, familiär) nicht, kann sich das nach Aussen hin zeigen, indem sie sich aggressiv verhalten. Reagieren sie nach innen gerichtet, kann dies psychosomatische Beschwerden oder Depressionen auslösen. Oder sie versuchen, zu verdrängen, und konsumieren in ausgeprägten Fällen sogar psychoaktive Substanzen.
Jedes Kind ist natürlich anders und reagiert anders. Während manche Kinder an Herausforderungen wachsen, tun sich andere schwer damit. Ich denke, es gibt keine allgemeingültige Antwort oder Lösung, die für jedes Kind stimmt. Als wichtig erachte ich jedoch den Dialog zwischen Eltern und Kind. Wenn das Kind weiss, dass es jederzeit zu den Eltern kann und Verständnis und Unterstützung erfährt, wenn es Ängste oder Sorgen hat, sind die Chancen gross, dass die Eltern mitbekommen, wo das eigene Kind gerade steht. Und wenn alle Beteiligten nicht mehr weiterwissen, besteht auch immer die Möglichkeit, externe Hilfe beizuziehen.
Das Stigma rund um die psychische Gesundheit existiert in unserer Gesellschaft nach wie vor. Leben wir dem Kind vor, dass es in Ordnung ist, über Gefühle zu sprechen und sich auch gezielt unterstützen zu lassen, fällt es dem Kind (und auch den Eltern) meines Erachtens leichter, die Problematik einzuordnen und sich allenfalls Hilfe zu holen.
Eine gesunde Ernährung, ein stabiles Umfeld, genügend Bewegung, geregelte Tagesabläufe, Struktur und Rituale sind weitere Faktoren, die dem persönlichen Rüstzeug der Kinder zuträglich sind.
Was wir selber tun können, ist, dem Kind IMMER zuzuhören, dem Kind zu zeigen, dass wir es ernst nehmen. Tipps und Ratschläge sind, wie ich zu Hause auch selbst erfahre, nicht immer willkommen, auch wenn wir auf vieles die richtige Antwort hätten. Die Kinder müssen ihre eigenen Erfahrungen machen. Damit sie sich selbst ihre Wege bahnen können, sind an sie gerichtete Fragen hilfreich. Wertschätzung, Liebe, Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit, Vertrauen, Zutrauen, Fürsorge und Schutz ist das, was wir geben können, so dass sie viel Raum für ihre eigenen Erfahrungen haben, ihre eigenen Lösungen finden und emotionale Stabilität entwickeln können. Letztlich entwickelt sich Resilienz aus den eigenen Erfahrungen der Kinder.